In den letzten drei Jahrzehnten hat die künstlerische und dokumentarische Architektur- fotografie eine immer stärkere Position als zentrales Argument im Architekturdiskurs einge- nommen. Grund genug, um sich mal mit der rund 185 jährigen Geschichte der Architektur- fotografie auseinanderzusetzen.
Die allerersten Architekturaufnahme stammt von Nicéphore Nièpce aus dem Jahre 1826. Diese zeigt nur geisterhafte Schemen einer fragmentierten Dachlandschaft, fotografiert aus seinem Atelierfenster im Landhaus “La Gras” in Saint-Loup-de-Varennes. 1835 fotografiert William Fox Talbot ein Fenster seines Landsitzes und 1838 Louis-Jaques Mandé Daguerre eine Straßenzeile unterhalb seines Ateliers. Das technische Verfahren der fotografischen Abbildung ist von Nièpce, Talbot und Daguerre in unabhängiger Forschung nahezu zeitgleich entstanden.
Die durchschnittliche Belichtungszeit betrug bei Nièpces ersten Bild noch rund 8 Stunden, wobei die moderne Forschung mittlerweile sogar von einer mehrere Tage dauernden Belichtungszeit ausgeht (Lehner und Pfäfli, “pomit de vue: Der Blick aus dem Fenster, (Film) Reise auf den Spuren der ersten Fotografie der Welt”, in: Kunstforum International, Nr.110,1989, S.256). Das zu der Zeit noch recht unempfindliche technische Verfahren benötigte langen Belichtungszeiten und daher auch unbewegliche Objekte, so dass das unbewegte architektonische Sujet schnell zu beliebten Gegenstand der Abbildung avancierte.
Zwischen 1840 und 1841 kamen in Folge die ersten reproduzierten Bildbände mit Daguerreotypien von berühmten europäischen Baudenkmälern und Stadtansichten auf den Markt. Das von Daguerre weiterentwickelte Verfahren der Ablichtung zeichnete sich durch seine präzisen Architekturdarstellungen gegenüber der von Nièpce und Talbot erfundenen technischen Verfahren aus. Sich des dokumentarischen Charakter der Fotografie bewußt, konstituierte sich 1849 die erste Denkmalbehörde der Welt in Paris. Die “Commission des Monuments Historiques” beauftrage Fotografen wie Éduardo Baldus, Henri Le Seq und die Gebrüder Bisson mit der Aufgabe “Mission Heliographique”, einer dokumentarischen Inventarisierung aller bedeutenden französischen Bauwerke.
Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt sich, gerade durch die Möglichkeiten der massenhaften Reproduktion der Medien, die Architekturfotografie zu einem wichtigen Medium des Architekturdiskurses. In dieser Zeit spezialisierten sich erste Fachfotografen auf die Abbildung von Baudenkmälern, Stadtansichten und Neubauten, während andere Künstler wie z.B. Eugène Atget eher nach dem künstlerischen Ausdruck in der gebauten Umwelt und deren Wandel strebten. Von Atget inspiriert, dokumentierte Berenice Abbott in großformatigen Ansichten den Wandel in der Stadtkulisse von Manhatten. Andere namhafte Künstler, wie Alfred Stieglitz, Edward Steichen und Magaret Bourke-White wählten ebenfalls New York als architektonisches Sujet.