“Quot homines, tot sententiae” – Terenz, Phormio 454
Je intensiver die auseinandersetzung mit dem thema architekturfotografie ist, desto augenfälliger wird das fehlen einer durchgängigen begriffsbestimmung. Diese abwesenheit ist umso erstaunlicher, als gerade die werke der düsseldorfer schule (zb. andreas gursky, thomas struth und candida höfer u.a) mitte der 80 jahre einzug in die museen und den kunstkonsens gehalten haben.
Allein eine allgemeine begriffsbestimmung stellt ein relatives problem dar: Otto HOCHREITER sah in der architekturfotografie “die unzweifelhafte zweckmäßigkeit des fotografischen abbildungsverfahren für denkmalpflege, kunstwissenschaft und die architekturproduktion“. [Diskurs: Dieser aussage liegt ua. dem spezifikum der widergabe eines artfakt zugrunde, da “…diese bilder ebenso nützlich wie anderseits in ihrer besonderheit weitestgehend unbefragt gemacht (hat).”] Darüber hinaus resultierend definiert Richard PARE als ziel der architekturfotografie, dem betrachter “ein maximum an informationen auf objektive weise zu übermitteln”.
Erst anfang der 80 jahre setzte, wie von hochreiter gefordert, eine verstärkte auseinandersetzung und interesse an der architekturfotografie im bereich der fotografiegeschichtsschreibung und architekturpublizistik ein (nach EMDE). “langsam wird die fotografie nicht einfach der landschafts- und reisefotografie zugeordnet, wird die fähigkeit der fotografie zur interpretation von architektur immer ausführlicher reflektiert, wird der einfluss der fotografischen wahrnehmunsweisen auf die architekturproduktion und -rezeption deutlich erkannt”. (HOCHREITER) Diesem zitat ist das spannungsfeld zwischen dokumentation und interpretation sowie zwischen konstruktion und repäsentation (EMDE) in dem sich architekturfotografie bewegt zu entnehmen. Im lexikon der weltarchitektur (Hrsg. PEVSNER,1992) heißt es dazu: eine architekturfotografie sei, wie jede fotografische abbildung, “immer zugleich objektiv und interpretativ, abbild und deutung, im besten fall ästhetisch bewusst und künstlerisch bedeutend“.
Simone FÖRSTER liefert einen weiteren ansatz indem sie schreibt: “das bild der architektur gibt auch einen kommentar zum medium fotografie. an der entwicklung des genres lässt sich auch die veränderung des mediums ablesen”. Was emde als ein ineinandergreifen zweier kunstgattungen in enger wechselseitiger verbindung deutet. Architekturfotografien sind bilder, die wie ihre abgebildeten objekte, schon immer historisch und kulturell kodifiziert waren und sind.
Ich lade übrigens jeden ein, seine meinung, anregungen oder gedanken zur architekturfotografie hier auch mitzuteilen.
[bild: “caplutta sogn benedetg”, architekt: zumthor, sumvitg (graubünden), schweiz. gebaut 1989]
Sorry, aber – mit Verlaub: Der Beitrag klingt, als verfolge er einen sehr intellektuellen Anspruch – gerade mit einer Wortschöpfung wie ‘Legaldefinition’; aber ist denn die ‘conclusio’, zu der er dann doch nur hinführt, eh nicht mehr als selbstverständlich? Das beschriebene Spannungsfeld zwischen Objekt- und Bildzentriertheit kennzeichnet ja kaum das Architekturbildermachen allein, sondern überhaupt das Sich-ein-Bild-Machen schlechthin. ‘Ogni pittore dipigne sè’ hat man in der Renaissance längst gesagt – man könne, so ist es gemeint, beim Bildermachen kaum umhin, sich selbst darzustellen. Was immer man auf der Bildfläche auch abbilde. Spannend finde ich es, weiterzugehen, nämlich zu versuchen herauszufinden, was ich tatsächlich entblöße, und zwar von mir, wenn ich dies oder das tu mit einem Haus. Und einer Kamera. Das kann Intellektuelles herauskitzeln, muss es aber nicht. Es kann auch nichtsprachlich im bloß Spürbaren, im Intuierbaren verbleiben. Und dann freut man sich vielleicht, dass man, wo Worte nicht mehr helfen, wenigstens Bilder hat. Zum Beispiel die vom Haus. Aber auch andere.
Ja, der artikel verfolgt vorerst einen theoretischen ansatz und zwar als initial einer ganzen serie über die auseinandersetzung von einem “vermeintlich gestörten” verhältnis zwischen architektur und fotografie, und dieser teil beschäftigt sich mit dessen theortischen unterbau. Die eigene aufgabenstellung sowie die konklusion sind tatsächlich ungeschickt bzw. unzureichend (aus)formuliert, sie sollten sich auf einen versuch einer ersten groben “begriffsbestimmung” beziehen. Langfristig soll auch nicht dabei die komplexizität der architekturfotografie durch eine definition eingeebnet werden – stattdessen soll dessen innewohnende heterogenität und vielschitigkeit aufgezeit werden. Bezüglich der architeturfotografie herrscht ohnehin zwischen den beteiligten professionen, also fotografen und architekten [zu denen ich gehöre] eine große differierenz innerhalb der begriffs- und verwendungszusammenhänge.
“Jeder Maler malt sich selbst” – ist im kontext der fotografie, nur nebenbei, ein durchaus streibarer ansatz (aber ja, ich kann ihn in gänze nachvollziehen), jedoch weist schon flusser in seiner “für eine philosophie der fototographie” im rahmen der appartkritik dauaruf hin, daß innerhalb der, durch den apparat festgelegten, programmatik nur eine endliche möglichkeit gibt, bilder zu produzieren – was dem gedanken eines unikaren kunstwerkes widerspricht. Ja, auch den Gedanken des “entblößen” durch den fotografen ist mir absolut verständlich, als dass auch architektur bewusst als bildmotiv eingesetzt wird um außermotivische inhalte, sei es die des fotographen oder gar abtrakter ideen oa., zu vermitteln.
Was nun unter architekturfotografie zu verstehen ist, hängt stark davon ab, wer den begriff gerade und zu welchen zwecke und auf welche weise verwendet, dass sich als kleinster gemeinsamer nenner nur so viel sagen läßt: “Architekturfotografie bezeichnet all jene aufnahme, in denen architektur – im weitesten sinne des wortes – als wichtiges diskurs- und/oder bezugsfeld dient.” (EMDE)